Lars Decker

Product Owner / vorher Full Stack Entwickler

Data Metriken für Product Owner

6. Mai 2025

Vom Bauchgefühl zur Datenkultur: Metriken, die wirklich helfen

So triffst du datenbasierte Entscheidungen im PO-Alltag

Einleitung: Als das Bauchgefühl zu laut wurde – ein typischer PO-Moment

Agile Teams treffen schnell Entscheidungen. Das ist gut so. Doch nicht selten beruht die Entscheidungsgrundlage eher auf Intuition, Erfahrung oder dem, was sich gerade "richtig" anfühlt. Als Product Owner kennst du das vielleicht: Feature A bekommt den Vorzug, weil es vom Vertrieb lautstark gefordert wird. Oder die Roadmap wird umgestellt, weil ein Stakeholder ein ungutes Gefühl hat. "Das sieht sonst komisch aus."

Bauchgefühl hat seinen Platz. Es ist ein wertvoller Impulsgeber. Aber wenn du dein Produkt gezielt verbessern willst, brauchst du mehr als Intuition: Du brauchst Klarheit. Und diese entsteht durch gute Metriken und eine gesunde Datenkultur.

Was eine gute Datenkultur ausmacht

Datenkultur klingt groß, meint aber etwas sehr Praktisches – konkret: Wie navigieren deine Entscheidungen zwischen Bauchgefühl und Fakten? Schau dir an, wie Team „Nimbus“ den Wechsel geschafft hat.

Mini-Fallbeispiel – Team Nimbus Nimbus arbeitete lange nach dem Motto „Wir wissen schon, was gut ist“. Entscheidungen basierten auf Meetings mit lauten Stimmen und auf dem Bauchgefühl des POs. Resultat: Viele Releases, unklare Prioritäten, und Features, die kaum genutzt wurden.

Dann führte das Team zwei Metriken ein: Retention (Wer kommt zurück?) und Zykluszeit (Wie lange dauert ein Feature?). Innerhalb von zwei Sprints konnte Nimbus exakt erkennen, welche Features echten Mehrwert brachten und welche nur unnötige Komplexität erzeugten. Heute diskutieren Entwickler, Designer und PO gemeinsam über konkrete Zahlen statt über Vermutungen.

Die wichtigsten Elemente einer gesunden Datenkultur sind:

  • Klarheit: Probleme und Chancen werden anhand von Fakten statt Hörensagen identifiziert.
  • Transparenz: Jeder im Team kann Daten einsehen – keine PowerPoints mit versteckten Folien.
  • Diskurs: Metriken werden gemeinsam diskutiert, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen.
  • Vertrauen: Daten werden nicht zur Schuldzuweisung genutzt, sondern als Basis für Verbesserungen.

Wichtig: Es geht nicht um Kontrolle oder Micromanagement, sondern um gezielte Gespräche und bessere Entscheidungen.

Typische Fehlannahmen und Stolperfallen

Der Weg zur datenbasierten Produktarbeit ist voller Fallstricke. Hier drei besonders verbreitete:

1. Velocity = Qualität

Viele Teams tracken ihre Velocity – also die Anzahl erledigter Story Points pro Sprint – und glauben, damit die Produktivität zu messen. Doch Velocity sagt nur, wie viel gebaut wurde. Nicht, ob das Richtige gebaut wurde. Oder ob es überhaupt funktioniert.

2. KPI-Overload

Manche POs starten mit einem Dutzend KPIs – von Churn Rate bis Time-to-Fix. Das überfordert nicht nur das Team, sondern verwässert den Fokus. Lieber wenige, aber gute Metriken und diese wirklich verstehen und nutzen.

3. Tracking ohne Relevanz

Manche Metriken existieren nur, weil sie einfach zu erheben sind ("Google Analytics zeigt das halt an") – aber sie helfen nicht bei Entscheidungen. Daten ohne Handlungsbezug sind Datenmüll.

Metriken, die wirklich helfen

Hier kommen fünf Metriken, die dir als PO in der Praxis wirklich weiterhelfen. Sie sind kein Dogma – aber ein guter Startpunkt.

1. Nutzeraktivität & Retention

Was es misst: Wie viele Nutzer kommen wieder? Wie aktiv sind sie? Nutzt jemand dein Produkt nur einmal – oder regelmäßig?

Warum es hilft: Es zeigt, ob dein Produkt wirklich Mehrwert bietet. Ein einmaliger Klick ist kein Erfolg – Wiederkehr ist ein echter Indikator.

Wie messen?

  • DAU / WAU / MAU (Daily/Weekly/Monthly Active Users)
  • Retention-Kohorten (z. B. "Wie viele Nutzer aus KW 12 sind nach 1, 7, 30 Tagen noch aktiv?")

2. Zykluszeit / Lead Time

Was es misst: Wie lange dauert es von der Idee bis zur Auslieferung an den Nutzer?

Warum es hilft: Es zeigt, wie schnell du lernst. Lange Zykluszeiten bremsen Feedback – und damit Produktentwicklung.

Wie messen:

  • Allgemein: Zeit vom ersten Status-Change (z. B. "To Do" → "In Progress") bis zum Abschluss ("Done").
  • In Jira: Nutze das Control Chart im Jira-Board (Reports → Control Chart). Hier siehst du pro Issue die Durchlaufzeit. Alternativ bietet das Cycle Time Report-Gadget in Dashboards eine aggregierte Ansicht.
  • In Azure DevOps: Aktiviere Analytics und nutze vorgefertigte Lead Time-Widgets im Dashboard oder erstelle eine Abfrage über die Analytics Views, z. B. WorkItemSnapshot mit Filter auf State-Änderungen.
  • Optional: Unterteile in Time to Start (Backlog → In Progress) und Time in Progress (In Progress → Done), um Engpässe genauer zu identifizieren.### 3. Fehlerquote in Produktion

Was es misst: Wie viele Bugs treten nach dem Deployment auf?

Warum es hilft: Fehler in Produktion bedeuten oft: zu wenig getestet, zu schnell released oder unzureichend spezifiziert.

Wie messen?

  • Anzahl Bugs / Monat
  • Bugs pro Feature oder pro Sprint
  • Kritikalität gewichten (z. B. P1/P2)

4. NPS oder Qualitatives Kundenfeedback

Was es misst: Wie zufrieden sind deine Nutzer wirklich?

Warum es hilft: Nicht alles ist zählbar – aber vieles ist hörbar. Kundenfeedback zeigt dir, was fehlt, was begeistert und wo es hakt.

Wie messen?

  • Net Promoter Score ("Würdest du uns weiterempfehlen?")
  • Offene Feedbackfragen in App, Mails oder Calls

5. Anteil genutzter Features

Was es misst: Welche Features werden tatsächlich genutzt – und welche nur gebaut?

Warum es hilft: Viele Teams bauen zu viel. Diese Metrik zeigt dir: Was davon bringt wirklich Nutzen?

Wie messen?

  • Feature Usage Tracking (z. B. via Events oder Telemetrie)
  • Segmentierung nach Nutzergruppen oder Regionen

Beispiel-Szenario – Feature-Nutzung auf einen Blick

Feature-Anzahl Nutzung
10 neue Features geliefert
3 regelmäßig genutzt ✅ Hoher Mehrwert
2 sporadisch genutzt ⚠️ Selektiver Einsatz
5 gar nicht genutzt ❌ Kein Nutzen

Basierend auf diesen Zahlen fokussiert das Team künftig auf Verbesserung statt Quantität: Alte Features optimieren und gezielt priorisieren → bessere Retention, weniger Frust.

Tipps zur Einführung im Team

Der erfolgreiche Start in die Datenkultur braucht mehr als die nackten Zahlen – er braucht klare Fragen, einfache Dashboards und echtes Mitspracherecht.

1. Mit einem Ziel starten

  • Formulierungsbeispiel: „Wir möchten in den nächsten zwei Wochen herausfinden, ob Feature X unsere Retention um mindestens 5 % verbessert.“

  • Kickoff-Fragen:

    • „Welche Erwartungen haben wir an Feature X?“
    • „Welche Daten helfen uns, diese Erwartungen zu prüfen?“

2. Daten gemeinsam interpretieren

  • Workshop-Format: 30‑Minuten-Daten-Review in jedem Sprint-Review.

  • Diskussionsvorlage im Meeting:

    1. Metrik-Präsentation: Kurze Zusammenfassung der aktuellen Zahl.
    2. Ursachen-Analyse: „Was könnte hinter dieser Veränderung stecken?“
    3. Handlungsoptionen: „Welche nächsten Schritte schlagen wir vor?“

3. Kleinschrittig einsteigen

  • Dashboard-Template: Lege in deinem Tool (Jira, Confluence, PowerBI o. Ä.) ein Dashboard mit 3 Feldern an:

    1. Aktueller Wert (z. B. DAU dieser Woche)
    2. Zielwert (z. B. +5 % ggü. Vorwoche)
    3. Ampel-Status (🟢, 🟡, 🔴)
  • Einführungs-Checkliste:

4. Nicht zur Kontrolle nutzen

  • Formulierungstip: „Diese Zahlen helfen uns, unser Produkt zu verbessern – sie bewerten niemanden persönlich.“
  • Teamwertung: Verstecke keine schlechten Daten, sondern besprecht sie offen und lösungsorientiert.

5. Verbindung zu Zielen herstellen

  • OKR-Bezug: Verknüpfe jede Metrik direkt mit einem Objective (z. B. „Objective: Bessere Nutzerbindung – KR: Retention +10 %“).
  • Kommunikation: Stelle im Sprint-Review kurz dar, wie die gemessene Metrik zur Erreichung des Ziels beiträgt.

Mit diesen konkreten Fragen, Templates und Formulierungen legst du den Grundstein für eine gelebte Datenkultur – ganz ohne Frust und Widerstand.## Fazit: Eine kleine Frage mit großer Wirkung

Gute Entscheidungen basieren nicht nur auf Erfahrung, sondern auf Klarheit. Daten helfen dir, Muster zu erkennen, blinde Flecken aufzudecken und mutige Entscheidungen zu treffen. Du musst kein Data Scientist sein – aber du kannst derjenige sein, der die richtigen Fragen stellt.

Nächster Schritt:

  • Metriken-Template laden: Hol dir unsere einfache Metriken-Template-Vorlage und trage dort eine Metrik ein, die du ab morgen tracken möchtest.
  • Kurz-Workshop im Team: Verabrede einen 30‑Minuten-Check mit deinem Team, um die ausgewählte Metrik gemeinsam zu besprechen und zu verstehen.

Call-to-Action:

Welche eine Metrik wirst du ab morgen wirklich tracken? Öffne das Template, trage sie ein und teile sie im Team. So machst du den ersten konkreten Schritt zur Datenkultur.

Klarheit ist kein Selbstzweck. Aber sie macht den Unterschied zwischen einem gefühlten und einem wirklich guten Produkt.

Kontakt

Sie erreichen mich per E-Mail unter ínfo@lars-decker.eu

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